Grüne Wiesen verwandeln sich urplötzlich in gelbe. Das ist nicht, wie in diesem Frühjahr zu vermuten war, der Trockenheit geschuldet, sondern dem Einsatz des Pflanzenschutzmittels Glyphosat. Der Wirkstoff ist weltweit einer der am meisten eingesetzten, aber trotz seiner EU-Zulassung und regelmäßiger EU-Wirkstoffprüfung im Hinblick auf seine Risiken für Gesundheit und Umwelt umstritten. Seine Abbauprodukte lassen sich im Brot, im Bier und sogar in der Muttermilch nachweisen.
„Das ist in erster Linie AMPA. Das kommt auch in Waschmitteln vor“, erklärt Bernhard Rüb zum Hauptabbauprodukt des Pflanzengiftes. „Glyphosat ist ein zugelassenes Pflanzenschutzmittel, das nur von Landwirten mit gültigen Sachkundenachweis verwendet werden darf“, sagt der Pressesprecher der Landwirtschaftskammer. Diese berät die Bauern im Hinblick auf die Bewirtschaftung ihrer Flächen und die Umnutzung von Grünland etwa zum Maisanbau. Diese ist zwar seit 2016 in Nordrhein-Westfalen verboten (Dauergrünlanderhaltungsgesetz), es gibt aber immer auch Ausnahmen. Die Untere Landschaftsbehörde und Untere Wasserbehörde müssen das genehmigen, letztere wenn sich die Flächen im Wasserschutzgebiet befinden.
„Die Untere Wasserbehörde hat mir vorgegeben, dass ich nicht pflügen darf“, erklärt ein Mucher Landwirt den Einsatz von Glyphosat auf seinem Feld, das im Wasserschutzgebiet liegt. „Das Problem liegt in der Bodenerosion von Äckern im Einzugsgebiet der Wahnbachtalsperre. Dadurch gelangen vermehrt Dünger und Schadstoffe (die an Bodenteilchen haften) in die Talsperre“, erläutert diese Vorschrift Antonius Nolden. Der Pressesprecher des Rhein-Sieg-Kreises erklärt, dass der Landwirt verpflichtet werde, den Anbau so vorzunehmen, dass bei Hanglage möglichst wenig Boden aufgebrochen werde. Der Einsatz von Glyphosat beim Maisanbau sei aber nicht alternativlos. „Es kommen auch andere, weniger umstrittene Mittel wie Motivell oder Mais Ter oder Verfahren ohne Chemieeinsatz, etwa der Einsatz von Schneidwalzen oder das Elektroherb-Verfahren in Frage“, sagt Nolden, gibt aber zu, dass diese den Aufwand für die Landwirte erhöhen. Glyphosateinträge aus der Landwirtschaft seien bislang nicht im Talsperrenwasser festgestellt worden, so der Pressesprecher.
„Die Naturschutzverbände sind immer wieder fassungslos, was im Namen des vermeintlichen Gewässerschutzes alles möglich ist“, sagt dazu Hanry Tünte vom Wassernetz NRW beim BUND. Allerdings sei die massive Erosionsanfälligkeit beim Aufbrechen des Bodens auch nicht hinnehmbar, weil dadurch Dünger, Pestizide und Bodenmaterial direkt in die Gewässer gelangten. „Wenn es einen Genehmigungsvorbehalt für den Umbruch von Wiesen und Weiden zu Äckern gibt, sollte die Behörde davon Gebrauch machen und den Umbruch schlicht untersagen“, so Tünte, der aber auch den „starken wirtschaftlichen Druck“ sieht, unter dem die Landwirte stehen. Die Lösung sieht er einer Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) und einer Reform des Ordnungsrechts. Als einen „ziemlichen Spagat“ bezeichnet Susanne Wangert vom Bundesfachausschuss Landwirtschaft des NABU das Pflugverbot bei Flächen im Gewässerschutzbereich. Der effektivste Erosionsschutz sei der Grünlanderhalt, gefolgt von Mulchwirtschaft und pflugloser Bodenbearbeitung, sagt sie und verweist auf Alternativen zum Pestizid-Einsatz wie thermische Verfahren (Grubbern), die aber besondere Maschinen erfordern.
„Um den Herbizideinsatz zu minimieren, werden die Landwirte über die Berater der Wasserschutzkooperation intensiv beraten“, erklärt Michael Schmidt. Der Fachgebietsleiter Kooperativer Gewässerschutz des Arbeitskreises Landwirtschaft, Wasser, Boden (ALWB), berichtet von gemeinsamen Demonstrationsversuchen mit Landwirten und Landtechnikherstellern, bei denen Unkräuter mittels elektrischem Strom beseitigt werden. „Praxisreif sind diese Verfahren, anders als in Brasilien, wo sie bereits mit Erfolg angewendet werden, unter unseren Bedingungen aber noch nicht“, so Schmidt. Wie die Landwirtschaftskammer stellt auch der ALWB den Landwirten Maschinen für umbruchlose Verfahren zur Verfügung.
Der Vertreter der Landwirtschaftskammer sieht indes auch die privaten Gartenbesitzer in der Pflicht. Dort würde Glyphosat oftmals überdosiert. „Der Privatnutzer hat keinen Sachkundenachweis“, sagt Rüb. Vielfach würde das Pflanzengift, das in Baumärkten unter dem Namen Round-up in kleinen Mengen verkauft werden darf, literweise über das Internet bestellt. Und auch die Deutsche Bundesbahn (DB) bringt er ins Spiel. Tatsächlich versprühte die DB laut eigener Aussage 57 Tonnen im Jahr 2018 auf ihren Bahngleisen. Gemäß Kirsten Verbeek sind dies aber nur „0,4 Prozent der in Deutschland insgesamt ausgebrachten Herbizidmenge“. Zudem sei geplant, den Einsatz ab diesem Jahr um die Hälfte zu reduzieren. „Anstelle der chemischen Vegetationspflege setzt die DB künftig verstärkt auf mechanisch-manuelle Verfahren“, so DB-Pressesprecherin und nennt den Einsatz von Heißwasser, elektrischem Strom und UV-C-Licht. (ins)
Glyphosat Deutschland sind 105 Glyphosat-haltige Mittel im Acker-, Obst-, Weihnachtsbaum- und Weinanbau zugelassen, 51 davon auch für den Haus- und Kleingarten (Round-up). Glyphosat wird über die Pflanzenoberfläche aufgenommen und verteilt sich in der ganzen Pflanze. Dies führt innerhalb einer Woche zu deren Welken. Die herbizide Wirkung beruht auf der Hemmung der Eiweißbildung, dies wiederum führt zum Wachstumsstillstand. AMPA (Aminomethyl-Phosphonsäure) ist das Hauptabbauprodukt von Glyphosat, das wesentlich stabiler ist. Die Halbwertszeiten können für Glyphosat zwischen drei bis zu 240 Tagen und für AMPA zwischen 78 bis 240 Tagen liegen. Glyphosat und seine Abbauprodukte reichern in Samen (Getreide, Mais, Soja) an. Aktuelle Studien belegen gesundheitliche Risiken schon bei geringsten Konzentrationen. Unter anderem gibt es Hinweise auf hormonelle Wirkungen, aber auch Krebs, Fruchtbarkeitsstörungen, Schädigung des Erbguts, der Leber und der Niere. Glyphosat soll auch für das Bienensterben verantwortlich sein.