Es ist ein Vormittag im August, die Sonne knallt vom Himmel. Ein Hundehalter geht mit seinen beiden Tieren auf einem Höhenrücken bei Seelscheid spazieren. „Von weitem sah ich etwas Weißes in der Mitte des Weges“, erzählt der Spaziergänger, der beim Näherkommen einen kleinen Katzenkopf erkennt. Schnell ruft er seine Hunde herbei, um sie an die Leine zu legen und mit ihnen aufs Feld auszuweichen. Von dort aus sieht er zwei Katzenwelpen, die sich an eine Grasnarbe kauern. „Ich habe meine Frau angerufen, damit sie mit dem Auto kommt, um die Hunde darin zu verstauen und eine Transportkiste mitzubringen“, erzählt der Unternehmer aus Seelscheid. Nachdem die Hunde im Auto sind, nähert sich das Ehepaar vorsichtig den Kätzchen. Eins nimmt Reißaus ins Feld und muss wieder eingefangen werden, während das andere lethargisch liegen bleibt.
„Für mich war dies offensichtlich eine Notsituation“, erzählt der Finder, der weit und breit kein Muttertier entdeckt. Schließlich landen beide Kätzchen im Transportkorb. „Da hier viele Hunde langlaufen, wollte ich sie auf keinen Fall hier lassen“, sagt er. Seine Sekretärin, eine Katzenliebhaberin, bittet er um Hilfe, da der Tierschutzverein Rhein-Sieg und der inzwischen für die Gemeinde Neunkirchen-Seelscheid zuständige Tierschutzverein THEA aus Morsbach die Übernahme der Tiere ablehnt. „So wie mir der Fall geschildert wurde, war ich der Auffassung, dass die Katzen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von ihrem Muttertier dort abgelegt worden waren. Der Finder muss in diesem Fall selbst entscheiden, was er tun möchte. Die Auffindung bedarf jeweils einer Interpretation“, erklärt Wilhelm Muth, Vorsitzender von THEA, dazu.
Mit diesem Verein hat Neunkirchen-Seelscheid, ebenso wie Much und Windeck, 2013 einen sogenannten „Fund- und Gefahrtiervertrag“ vereinbart, der besagt, dass Fundtiere übernommen werden müssen. Doch was ein solches ist, darüber scheiden sich die Geister. Bevor THEA sich um die Kooperation mit den Gemeinden bewarb, hat der Tierschutzverein Rhein-Sieg für alle Kommunen im Rhein-Sieg-Kreis diese kommunale Pflichtaufgabe übernommen und alle aufgefundenen Tiere, auch Katzen, im Tierheim Troisdorf untergebracht. Wie Karin Stöcker vom Presseamt Neunkirchen-Seelscheid mitteilt, vertritt THEA jedoch die Auffassung, dass „Katzen nur dann als Fundtiere gelten, wenn sie durch Krankheit oder Verletzung nachweislich nicht mehr an den von ihnen gewünschten Ort zurück gelangen können“ – ein Grund, warum andere Gemeinden wie etwa Eitorf trotz geringerer Kosten nicht zu dem Morsbacher Tierschutzverein gewechselt sind.
Rüdiger Kulartz, Pressesprecher der Gemeinde Much, benennt – wie seine Neunkirchen-Seelscheider Kollegin – Kostengründe für den Wechsel zu THEA und äußert sich zufrieden mit dessen Leistungen. Allerdings gesteht er ein, dass es „immer wieder Unverständnis der Bürger gibt, dass Katzen keine Fundtiere sind und daher nicht von THEA aufgenommen werden“. Hinzu kommt, dass der Verein kein eigenes Tierheim mit Quarantänestation unterhält. Laut Dr. Christian Dickschen, Kreisdezernent des für THEA zuständigen Oberbergischen Kreises, fehlt ihm überdies die Erlaubnis dafür. „Die Tiere werden in privaten Pflegestellen untergebracht“, erklärt Muth dazu.
Die fünf Wochen alten Katzenwelpen landen schließlich bei Nicole Schaub in Wahlscheid. Sie betreibt dort eine von vier Großpflegestellen des Kölner Vereins Straßenkatzen. Die Sekretärin des Finders hat sie kontaktiert, nachdem den Kätzchen in der Tierarztpraxis René Mohs Much wenig Überlebenschancen eingeräumt worden waren. Sie waren stark dehydriert, voller Flöhe und hatten entzündete Augen. Schaub, die fest davon überzeugt ist, dass die Tiere an Menschen gewöhnt sind und nicht von ihrer Mutter ungeschützt auf dem Feldweg abgelegt wurden, päppelt die zwei Katzenmädchen seither wieder auf. „Ihnen geht es schon wieder gut“, sagt sie.